Weil das Ehepaar sonst nicht oft andere Leute trifft, ist Halima auch eine wichtige Kontaktperson für Ahmad und Fatima. Vor allem Fatima verlässt die Wohnung selten. Und mit der Pandemie wurde ihre soziale Isolation noch stärker spürbar.
Mittlerweilen sind die beiden Frauen gut befreundet und unternehmen manchmal etwas zusammen. Heute zum Beispiel wird Halima Fatima mit dem Auto noch zum Arzt fahren, weil es Fatima seit ein paar Tagen nicht gut geht. Sie ist Diabetikerin und gesundheitlich angeschlagen. Dass noch eine Tochter mit ihren Kindern in Aleppo lebt und nicht zu ihnen in die Schweiz einreisen kann, beschäftigt sie sehr. Es gebe keine Möglichkeit, sie in die Schweiz zu holen, sagt Fatima traurig. Sie hätten es schon vergeblich versucht.
Ihre anderen Kinder sind in Sicherheit: Zwei Söhne leben in Zürich und die zweite Tochter in Norwegen. Mit ihren Söhnen, 22 und 30 Jahre alt, pflegen Fatima und Ahmad regelmässig Kontakt. Lange Zeit waren sie von ihren getrennt gewesen, und als sie ebenfalls in die Schweiz einreisen konnten, erfüllte sich ihr grösster Wunsch, wieder als Familie in Sicherheit vereint zu sein. Der ältere Sohn hat bereits eine eigene Familie, und so können Ahmad und Fatima auch ihre Enkelkinder sehen. Ein grosses Wiedersehen gab es auch mit der Tochter aus Norwegen: Sie konnte letztes Jahr nach sieben langen Jahren der Trennung ihre Eltern in Zürich besuchen. Während unseres Gesprächs klingelt das Telefon: Die Tochter aus Aleppo ruft an und erscheint auf Fatimas Handy-Bildschirm. Die Mutter geht ins Zimmer nebenan, um ungestört mit der Tochter reden zu können.
Eine Beschäftigung wäre wichtig
Ahmad zeigt uns indes die Kursunterlagen seines Deutschkurses. Er hat schon einige Lehrbücher durchgearbeitet. Der Kurs mache ihm Spass, auch wenn die deutsche Sprache nicht einfach sei. «Ich kann bereits gut lesen und verstehe einiges, aber ich kann noch nicht besonders gut sprechen, weil ich nicht oft Gelegenheit habe, das Gelernte anzuwenden», meint er. Halima hilft ihm aber regelmässig bei den Hausaufgaben und dann spricht sie mit ihm Deutsch. Weil er nicht so viele soziale Kontakte hat, würde der gelernte Schneider, der in Aleppo ein eigenes Modegeschäft besass, gerne wieder arbeiten. Wegen seines Alters ist es aber sehr schwierig, eine Arbeitsstelle zu finden. Eine Arbeit oder wenigstens eine Beschäftigung würde ihn sehr glücklich machen. Vielleicht ergebe sich aber bald etwas in einem Nähatelier in einem Gemeinschaftszentrum, erzählt er. So hätte er auch mehr soziale Kontakte und könnte regelmässiger unsere Sprache sprechen. Während seine Frau nicht gerne und nur selten aus dem Haus geht, hat er das Fahrrad für sich entdeckt – ein günstiges und dazu gesundes Fortbewegungsmittel.
Und was werden Halima, Ahmad und Fatima als Nächstes unternehmen? Halima hat bereits einen Plan: «Ich werde ihnen bei meinem nächsten Besuch das Gemeinschaftszentrum Hirzenbach hier im Quartier zeigen, wo sie in einem sozial lebendigen und multikulturellen Rahmen günstig einen Kaffee trinken können. Da sie vorher in Zürich Wiedikon gewohnt haben, kennen sie sich hier im neuen Quartier noch nicht so gut aus. Das wollen wir nun ändern.»