Interview: Bettina Filacanavo
Fotograf: Faysal Ahmad
Sebastian, was erwartet die Menschen in den Flüchtlingscamps, wenn der Monsun losgeht?
Bangladesch hat eine ausgeprägte Regenzeit. Bereits im Mai gibt es erste starke Regenfälle, in den Folgemonaten nehmen diese noch zu. Im Distrikt Cox’s Bazar, wo die geflüchteten Rohingya leben, fällt im Juni 800 Millimeter Regen, im Juli 900 und im August nochmals 700 Millimeter. Zum Vergleich: Basel hat in einem Jahr eine Niederschlagsmenge von knapp 800 Millimetern. Ich habe selbst mehrere Jahre in Bangladesch gelebt. Häufig regnet es kurz und heftig. Ein halbstündiges Gewitter kann Strassen und Häuser hüfthoch unter Wasser setzen.
Inwiefern könnten die sintflutartigen Regenfälle im Camp Jamtoli zur Katastrophe führen?
Die Rohingya kennen den Monsun zwar sehr gut aus ihrer Heimat. Während sie sich in ihren Dörfern auf die sintflutartigen Regenfälle vorbereiten konnten, ist dies in den Flüchtlingscamps jedoch kaum möglich. Denn in Bangladesch ist es den Rohingya lediglich erlaubt, Häuser aus Bambusstangen und Plastikplanen zu bauen. Diese halten dem Monsun nur bedingt stand. Abgesehen davon hätten weder die Rohingya noch die internationalen Organisationen genügend finanzielle Mittel, um widerstandsfähige Häuser zu bauen.
Zudem ist das Gelände nicht optimal. Im Camp Jamtoli wurde jeder Familie eine kleine Parzelle auf Hügeln zwischen Reisfeldern zugewiesen. Der Wald auf den Hügeln wurde komplett gerodet. Um ihre Hütten zu bauen, haben die Rohingya Terrassen in den Hügel gegraben. Zwischen den Häusern führen Fusswege die Hügel hinab. Da der Grossteil der Fläche mit Hütten überbaut ist, kann der Boden die grosse Wassermenge kaum aufnehmen. Die Fusswege werden sich in Flüsse verwandeln, die Terrassen erodieren und im schlimmsten Fall Hänge abrutschen.