HEKS-Geschichte
Seit 1946 engagiert sich HEKS für notleidende und benachteiligte Menschen. Aus der kirchlichen Hilfs- und Wiederaufbauarbeit im kriegszerstörten und bitterarmen Nachkriegseuropa ist im Laufe der Jahrzehnte ein weltweites Engagement für eine gerechtere Welt und ein Leben in Würde für alle Menschen geworden – und aus HEKS ein professionelles Hilfswerk, das mit seinen Projekten und seiner entwicklungspolitischen Arbeit über eine Million Menschen unterstützt.
1945 bis 1956
HEKS in den Anfangsjahren
In diesen Anfangsjahren wird Ausserordentliches geleistet: Allein in den ersten zwei Jahren werden rund 4000 Tonnen von Schweizer Gemeinden gespendete Kleider, Schuhe, Decken, Seife, Konserven, Kartoffeln und andere Sachspenden in die Nachbarländer verschickt. HEKS organisiert Notverpflegungen für Kinder und ältere Menschen, gründet Waisenhäuser und Kinderheime und ermöglicht kriegstraumatisierten Kindern Erholungsaufenthalte in der Schweiz. 1947 schafft HEKS mit der «Casa Locarno» im Tessin ein Haus der Erholung und der Begegnung für Menschen unterschiedlichster Nationen und Religionen: In den ersten 20 Jahren besuchen rund 5000 Menschen aus 36 Ländern das Haus. Auch die Zusammenarbeit mit Kirchgemeinden in Osteuropa setzt HEKS trotz des sich anbahnenden Kalten Krieges fort, unterstützt diese bei ihrer kirchlichen und diakonischen Arbeit und initiiert erste Gemeindepartnerschaften. 1949 übernimmt HEKS die «Evangelische Flüchtlingshilfe», die 1956 mit der Flucht von über 200’000 Ungar:innen aus ihrem Land ihrer ersten Bewährungsprobe gegenübersteht und die Aufnahme und Versorgung von 2000 protestantischen ungarischen Flüchtlingen organisiert.
1957 bis 1967
Ausweitung auf den globalen Süden und die Entstehung von «Brot für Brüder»
Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges haben sich immer mehr Kolonialstaaten in Afrika und Asien ihre politische Unabhängigkeit erkämpft. Parallel zu dieser Entwicklung weitet auch HEKS sein Engagement auf die noch jungen Nationen aus. Mit Kollekten der Landeskirchen wird 1957 in Südindien mit einer Werkstätte für Werkzeugmacher das erste «Entwicklungsprojekt» gestartet. Später beteiligt sich HEKS in der Demokratischen Republik Kongo am Aufbau protestantischer Mittelschulen und initiiert erste Programme in Haiti und Argentinien.
Konfrontiert von den Herausforderungen, denen sich die ehemaligen Kolonien zu stellen haben, entwickeln die beiden Hilfswerke HEKS und «Basler Mission» Anfang der 1960er-Jahre die Idee einer nationalen Sammelaktion. Gemeinsam mit den Kirchen starten sie deshalb 1961 die Aktion «Brot für Brüder» (später «Brot für alle»). Innerhalb von zwei Jahren kommen 15,7 Millionen Franken für Entwicklungshilfe-Projekte von HEKS und den evangelischen Missionen zusammen. Geplant war eine einmalige Sammlung. Bald zeigt sich jedoch, dass jedes Jahr kirchliche Mittel nötig sein würden, damit die «Solidarität mit Benachteiligten» keine leeren Worte bleiben. 1965 bis 1967 folgt deshalb eine zweite Aktion von «Brot für Brüder».
1967 bis 1979
Von der «Entwicklungshilfe» zur Entwicklungspolitik
Auch HEKS wird politischer und verstärkt seine entwicklungspolitische Kommunikation in der Schweiz. Dabei stellt es sich dezidiert auf die Seite der durch die Apartheids-Regimes unterdrückten Bevölkerungsgruppen in Angola, Simbabwe und Südafrika und unterstützt sie in ihrem Streben nach Gleichberechtigung. HEKS beteiligt sich am Anti-Rassismus-Programm des Ökumenischen Rates der Kirchen und erntet dafür viel Kritik. Nach dem Vietnamkrieg leistet HEKS nach Jahren der humanitären Hilfe auch Wiederaufbauarbeit. Zudem lobbyiert HEKS in der Schweiz für die Aufnahme zusätzlicher Indochina-Flüchtlinge und unterstützt diese in der Schweiz bei ihrer Integration. In diesen Jahren werden Beziehungen zu Hilfswerken, Menschenrechtsgruppen und Basisbewegungen erweitert und so die Entwicklungsarbeit gefördert. Nach Hochwasserkatastrophen in Nordafrika und Osteuropa, Erdbeben in der Türkei und Peru sowie einer Sturmflut in Pakistan baut HEKS zudem einen eigenen Katastrophendienst auf.
1980 bis 1991
Verstärktes Engagement für Flüchtlinge und in der Entwicklungspolitik
Währenddessen verstärkt «Brot für Brüder» sein entwicklungspolitisches Engagement. Als Teil der «Arbeitsgemeinschaft der Hilfswerke» (heute: «Alliance Sud») unterstützt sie verschiedene politische Vorstösse zu Themen wie Fair Trade oder Entwicklungsgelder. Die Petition «Entwicklung ist eine Überlebensfrage» im Jahr 1983 wird zu einem ersten Erfolgserlebnis. Diese fordert die Schweizer Regierung zu einer Erhöhung der Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit auf und führt dazu, dass der Bundesrat für die Periode 1985–1987 das Budget auf 0,31 Prozent des Bruttoinlandproduktes (BIP) erhöht. Beflügelt durch diesen Achtungserfolg lanciert «Brot für Brüder» 1989 zusammen mit Fastenopfer und 20 weiteren Organisationen die Petition «Entwicklung braucht Entschuldung». Zum 700-jährigen Bestehen der Schweiz, so die Forderung, soll ein Fonds mit 700 Millionen Franken für die Entschuldung der ärmsten Entwicklungsländer eingerichtet werden. Auch diese Petition wird im Juni 1990 mit 250'000 Unterschriften erfolgreich eingereicht. Noch im selben Jahr verabschiedet das Parlament ein Postulat und bewilligt 1991 zwei neue Rahmenkredite. Einen von 400 Millionen für die Finanzierung von Entschuldungsmassnahmen, den anderen für globale Umweltmassnahmen in der Höhe von 300 Millionen. Im Juni 1990 wird die Namensänderung von «Brot für Brüder» in «Brot für alle» beschlossen.
1991 bis 1999
Fair Trade, Unternehmensverantwortung und Neuausrichtung in der Europaarbeit
Die langjährigen Bemühungen von «Brot für alle» für einen gerechteren Handel machen sich bezahlt. Nach zahlreichen Verhandlungsgesprächen zeigen sich die Grossverteiler Migros und Coop dazu bereit, fair gehandelte Produkte in ihr Sortiment aufzunehmen. 1992 gründet «Brot für alle» zusammen mit HEKS, Fastenopfer und weiteren Hilfswerken die Stiftung «Max Havelaar Schweiz». Mit der «Stiftung für gerechte Bedingungen in Teppich-Herstellung und Handel» (STEP) ist «Brot für alle» 1995 an der Einführung eines Fair-Trade-Labels für die Teppichindustrie beteiligt. 2007 wird «STEP» in die Stiftung «Max Havelaar» integriert. Ebenfalls 1995 diskutieren die Verantwortlichen von «Brot für alle», HEKS und «Schweizerischem Evangelischem Kirchenbund» (SEK) erstmals eine mögliche Fusion der beiden Hilfswerke. Unter anderem wegen unterschiedlicher Schwerpunkte der beiden Organisationen wird die Idee allerdings verworfen.1999 lanciert «Brot für alle» zusammen mit «Fastenopfer» und der «Erklärung von Bern» (heute: «Public Eye») die «Clean Clothes Campaign» (CCC), welche menschenwürdige Arbeitsbedingungen und ein Verbot für Kinderarbeit in der Kleiderindustrie fordert.
HEKS richtet nach dem Ende des Kalten Krieges seine Projekte in Europa gänzlich neu aus: Aufbauhilfe in den ehemaligen Ostblockstaaten und humanitäre Hilfe während der Jugoslawien-Kriege prägen diese Jahre. In Rumänien etwa beginnt in Ergänzung zur zwischenkirchlichen Hilfe der Aufbau eines regionalen ländlichen Entwicklungsprogrammes. HEKS beteiligt sich an Nothilfe- und Wiederaufbauprojekten in Mazedonien, Albanien und Kosovo. Zehntausende Flüchtlinge kommen in die Schweiz – viele werden in den nächsten Jahren vom HEKS unterstützt mit Projekten zur Begleitung und Beratung in der Schweiz sowie zur Vorbereitung ihrer Rückkehr. Der Kirchenbund erweitert das Inlandmandat des HEKS im Jahr 1991 mit dem Auftrag «Engagement für sozial Benachteiligte». In der Folge gründet HEKS 1993 mit dem Wohnprojekt «Birseck» für suchtkranke Menschen sein erstes Projekt für sozial benachteiligte SchweizerInnen und baut Projekte zur Integration von Arbeitslosen auf. Nach dem Genozid in Ruanda leistet HEKS erneut humanitäre Hilfe. Zudem koordiniert HEKS die internationale kirchliche Wahlbeobachtung in Südafrika und in Mosambik. In Lateinamerika unterstützt HEKS Agrarreformen und setzt sich für Landlose ein.
2000 bis 2010
Nothilfe, Neuausrichtung der Inlandarbeit und der strategische Neupositionierung
Auch «Brot für alle» richtet sich strategisch neu aus: Weniger Themen werden von mehr Leuten bearbeitet. Neben der Entwicklungspolitik kommt der Klimawandel als neues Themengebiet hinzu und die Bereiche «Ernährung und Landwirtschaft» und «Unternehmensverantwortung» werden ausgebaut. In der Schweiz wie auch über die staatlichen Grenzen hinaus erweitert «Brot für alle» seine Netzwerke und verstärkt die Zusammenarbeit mit internationalen Partnerorganisationen. Eine mögliche Fusion mit HEKS rückt wieder in greifbare Nähe. 2002 und 2004 verhandeln die Verantwortlichen über die Zusammenführung der beiden Werke. Beide Initiativen werden aber wieder verworfen. Dafür wird die Zusammenarbeit durch neue Kooperationsformen weiter vertieft.
2010 bis heute
Flüchtlingsströme, Konzernverantwortung und Fusion
Für «Brot für alle» bildet die Unternehmensverantwortung einen zentralen Tätigkeitsbereich. Da sich Bundesrat und Parlament auf keine gesetzlichen Regelungen einigen können, lanciert «Brot für alle» als Teil der Allianz «Recht ohne Grenzen» (RoG) 2015 eine Initiative für Konzernverantwortung. Die Initiative wird zwar von 50,7 Prozent der Stimmberechtigten angenommen, scheitert jedoch am Ständemehr. 2019 wird zum Klimajahr: Die Jugend folgt der Aktivistin Greta Thunberg auf die Strasse und auch «Brot für alle» engagiert sich für die «Gletscherinitiative» und führt die «Klimagespräche» ein. 2019 beschliessen die Stiftungsräte von HEKS und «Brot für alle» die Fusion der beiden Hilfswerke, die schliesslich im November 2021 vollzogen wird.