Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsintiative

Eine schwache Verordnung für ein überholtes Gesetz

Bern/Zürich, 1. Juli 2021. Der Bundesrat hat eine völlig ungenügende Verordnung zum Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative (KVI) vorgelegt, welche die meisten Firmen von Sorgfaltspflichten befreien wird. Angesichts des Volksmehrs für mehr Konzernverantwortung fordern die kirchlichen Hilfswerke Brot für alle und HEKS in der Vernehmlassung, dass der Bundesrat die Verordnung nachbessert und das schwache Gesetz nicht noch weiter aushöhlt.

Ende 2020 stimmten 50.7 Prozent der Stimmbevölkerung der Konzernverantwortungsinitiative zu. Diese scheiterte jedoch am Ständemehr. Der indirekte Gegenvorschlag soll nun am 1. Januar 2022 in Kraft treten. Brot für alle und HEKS haben diesen von Anfang an kritisiert, weil er im Wesentlichen nur eine Berichterstattungspflicht enthält. Dort, wo er darüber hinausgeht, greift er willkürlich einzelne Themen heraus, verzichtet auf jegliche Kontroll- und Sanktionsmechanismen und genügt damit in keiner Weise den internationalen Vorgaben. 
Mit der nun vorliegenden Umsetzungsverordnung verwässert der Bundesrat die Regulierung derart, dass kaum mehr Unternehmen von den Sorgfaltspflichten bezüglich Kinderarbeit und Konfliktmineralien erfasst sein werden. Im Bereich der Kinderarbeit werden sich viele Unternehmen sogar jeglicher Verantwortung entziehen können. So sind kleine und mittlere Unternehmen (KMU) vom Verordnungsentwurf des Bundesrates komplett ausgenommen, auch wenn sie in einem Hochrisikobereich tätig sind.

Anreize zum Wegschauen 

Auch grosse Unternehmen, deren Produkte in einem anderen europäischen Land hergestellt werden, sind von der Sorgfaltspflicht ausgenommen. Diese Bestimmung schafft ein rechtliches Vakuum, das viele Unternehmen ausnutzen können. Bei der Produktion von Schokolade beispielsweise muss ein Schweizer Unternehmen, das seine Schokolade in Belgien herstellen lässt, keine Sorgfaltspflicht erfüllen, auch wenn bekannt ist, dass auf den Plantagen seines Kakaolieferanten in der Elfenbeinküste oder anderswo Kinderarbeit eine reelle Gefahr ist. 
Schliesslich sieht die Verordnung vor, dass Unternehmen im Rahmen einer Selbsteinschätzung entscheiden können, ihre Sorgfaltspflicht nicht zu erfüllen, wenn kein «begründeter Verdacht» auf Kinderarbeit in Bezug auf ein Produkt oder eine Dienstleistung besteht. Auch hier bietet die Verordnung einen Anreiz zum Wegschauen. Im Bereich der Konfliktmineralien setzt der Verordnungsentwurf des Bundesrates viel zu hohe Import-Grenzwerte an und sieht eine Ausnahme für Unternehmen vor, die mit recycelten Mineralien handeln. Auch die vorgesehenen Wiedergutmachungs- und Beschwerdemechanismen sind völlig unzureichend.

Medienmitteilung Gegenvorschlag KVI
HEKS

Vom Ausland überholt 

Zu einer zeitgemässen Gesetzgebung im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte gehört eine umfassende Sorgfaltsprüfungspflicht über alle relevanten Menschenrechte und Umweltthemen hinweg, verbunden mit einer wirksamen Durchsetzung. Diesen Weg beschreitet die EU mit dem neusten Richtlinienvorschlag zur Sorgfaltspflicht von Unternehmen gemäss einem Beschluss des Europäischen Parlaments vom März dieses Jahres. In Frankreich ist die entsprechende «Loi vigilance» bereits seit 2017 in Kraft. Auch Deutschland und Norwegen haben mit dem Lieferkettengesetz und dem Transparenzgesetz kürzlich Vorlagen verabschiedet, die weit über das hinausgehen, was in der Schweiz vorgesehen ist.
Brot für alle und HEKS unterstützen weltweit Menschen in Not und engagieren sich dafür, Strukturen zu schaffen, die es den einzelnen ermöglichen, selbständig und nachhaltig ihr Einkommen zu erwirtschaften. Immer wieder sind es auch internationale Unternehmen, sei es aus der industriellen Landwirtschaft, der Textilbranche oder dem Rohstoffhandel, welche die Chancen und Möglichkeiten von Menschen im globalen Süden beschneiden und grundlegende Menschenrechte verletzen. Weil viele Staaten ihrer Verpflichtung, die Menschenrechte ihrer Bürger zu schützen, oft zu wenig nachkommen, ist es wichtig, dass die Unternehmen in ihren Heimatländern zur Rechenschaft gezogen werden können.
Brot für alle und HEKS erwarten deshalb in ihrer Vernehmlassungs-Stellungnahme vom Bundesrat, dass er das bereits schwache Gesetz nicht noch weiter aushöhlt. Vielmehr muss er nun das Steuer herumreissen und die Verordnung so nachbessern, dass die gesetzlichen Spielräume ausschöpft werden. Alles andere wäre ein Schlag ins Gesicht jener Mehrheit des Stimmvolks, die letzten November der KVI zugestimmt hat.

 

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